Kunst am Bau

in den TRAVE-Quartieren

"Kunst am Bau" soll Kunstwerke direkt in die Wohnquartiere bringen, also an Orte, an denen man anders als in einer Innenstadt nicht unbedingt erwartet, auf sie zu treffen. Sie soll Anlass für Kommunikation sein, Identifikation schaffen, ihre Betrachter im Alltag begleiten, bestenfalls begeistern und sie darf durchaus auch polarisieren. Nur ausdruckslos oder belehrend sollte sie nicht sein.

Hintergründe zu den Werken im Bestand der TRAVE finden Sie in der Folge. Wir wünschen viel Spaß beim Entdecken.

1 | Verwandlung

Auf dem Baggersand, Travemünde

Künstler: Tim Maertens
Material: Bronze
Einweihung: Oktober 2024

Der Bildhauer Tim Maertens nennt die für das neue Wohnquartier Auf dem Baggersand geschaffene Bronzeplastik „Verwandlung“. Er spielt damit nicht nur darauf an, dass das Gesicht der Stadt an der Mündung der Trave sich einmal mehr verändert hat, sondern er bezieht sich noch tiefergehend auf die Wirkung, die sich zeigen kann, wenn Menschen sich neu begegnen.

In der Plastik treffen sich zwei autonome Bewegungen/Körper und berühren sich an einem Punkt ihrer Bewegung. Dieses Bild setzt der Künstler als Metapher für die zwei menschlichen Grundbedürfnisse nach Autonomie, persönlicher Entfaltung und Kreativität einerseits und nach sozialer Verbundenheit, Miteinander, Anerkennung und Partnerschaft andererseits, die in ihrem Zusammentreffen zu mehr als der Summe ihrer Teile werden können. 

Der Künstler selbst sagt dazu: „Ein Zusammenleben kann sich aber nur dann fruchtbar entwickeln, wenn Individualität und Autonomie in einem flexiblen Gleichgewicht stehen mit den Bedürfnissen aller in dieser Gemeinschaft. Das ist ein Grundprinzip jeder lebendigen Gemeinschaft und nicht zuletzt auch das unserer Gesellschaftsordnung, das immer wieder ein frisches Ausbalancieren von uns fordert. In einer ähnlichen Dynamik berühren und stützen sich die beiden Körper der Plastik deutlich, ohne jedoch ganz miteinander zu verschmelzen oder ihre individuelle Bewegung aufzugeben, wenngleich diese Berührung gleichzeitig auch einen Impuls für ein gewisses Maß an Synchronisierung der weiteren Bewegung sein kann. Diese Plastik schafft das Bild eines dynamischen Gleichgewichtes von Gegensätzen: Individualität und Gemeinschaft, Autonomie und Einheit.

Durch das Zusammentreffen der beiden geschwungenen Körper - ähnlich zweier Kreissegmente, die zusammen eine Schnittmenge bilden - entsteht in ihrer Mitte auch der Eindruck eines Torbogens. Das Raumvolumen des Inneren dieses Bogens entspricht annähernd den Proportionen eines Menschen oder noch genauer eines sich umarmenden Paares…“, sagt der Künstler. Die Plastik steht so gleichsam nicht nur formal sondern auch sinnbildlich als Entrée zum neu entstandenen Wohnquartier und kann mit dem geschaffenen Freiraum auch sonst zum Treffpunkt werden. Und mit der grünen Patina der Bronze stellt der Künstler einen direkten Bezug her zur grünen Turmkappe der St. Lorenz Kirche, die in der Blickachse direkt über dem letzten Querriegel der neuen Bebauung sichtbar ist, und schlägt auf diese Weise durch die optische Verbindung zum Kirchturm einen Bogen über die gesamte Anlage bis ins Stadtzentrum Travemündes hinein.

In den unterschiedlichen Details der beiden auf den ersten Blick ähnlichen Körper hat Tim Maertens aber auch noch weitere Metaphern „versteckt“. Dieses zeigen sich zum Beispiel in deren Oberfläche und geometrischer Symbolik. Er erklärt dazu: „Die sechseckige Grundform des einen Körpers steht für das flüssige Element Wasser, hergeleitet aus dessen hexagonaler Struktur sichtbar etwa in der Form von Schneeflocken und Eiskristallen oder in den sechs Seiten der wiederkehrenden Tetraeder-Form des Wassermolekül-Clusters in flüssigem Zustand. Die andere fünfeckige Form dagegen steht für die feste Materie, indem ich das Fünfeck in seiner geometrischen Herleitung gleichgesetzt habe mit der irrationalen Phi, die in Mathematik und Materie für das Proportionsverhältnis des sogenannten Goldenen Schnittes steht, einem Größenverhältnis, das nicht nur in Kunst und Architektur spätestens seit der Antike ein wesentliches Gestaltungsprinzip ist, sondern das, quasi abgelesen aus dem Lebendigen, seine eigentlichen Ursprung in einem grundlegenden Ordnungsprinzip der Natur hat, vielfältig sichtbar in den Formen der Schneckenhäuser, über den Blattstandswinkel fast aller Pflanzen, bis zur Spiralform von Galaxien. Die beiden Bronzebögen können also jeweils auch als Ausschnitte eben dieser goldenen, logarithmischen Spirale weitergedacht werden.“

Auch auf dieser Ebene spiegelt die Arbeit also eine Dynamik im Wechselspiel vermeintlicher Gegensätze an einem Ort, an dem Meer auf Land trifft. Der Titel der Arbeit deutet also, zusammen mit der Kreisbewegung der Plastik, auch auf den lebendigen, natürlichen Kreislauf der Natur, der aber, so der Künstler, „…gleichzeitig auch zu vielen ganz individuellen, persönlichen Bewegungen und Metamorphosen der einzelnen Betrachterin und des einzelnen Betrachters werden darf. Welche Assoziationen darüber hinaus beim Betrachten entstehen, möchte ich bewusst offenlassen. Angesichts der klimatischen und ökologischen Katastrophe, die wir uns konsequent linear erarbeitet haben, mag meine Arbeit aber auf jeden Fall auch etwas dazu anregen, wieder stärker das natürliche Prinzip des zirkulären Wandels gegen das des linearen Wachstums um jeden Preis zu tauschen“. Alles dies darf in jedem Fall an einem Ort wachsen, wo zukünftig Menschen in ihrem neuen Zuhause und schon sehr lange Süßwasser und Salzwasser, Festland und Meer lebendig aufeinander treffen.

Sollten Sie Informationen zum Werk oder dem/der Kunstschaffenden haben, freuen wir uns über eine Nachricht an loebe@trave.de

2 | kubistische Wandgestaltung

Solmitzstraße 47, Kücknitz

Künstler:in: unbekannt
Material: genietete Metallflächen, zum Teil farbig
Einweihung: vermutlich 1973

In der Kücknitzer Seniorenwohnanlage, genauer gesagt an der Hauswand des Hauses Solmitzstraße 47 befindet sich ein Kunstwerk in Blautönen, ergänzt um passende orange- und gelbfarbene Flächen. Von weitem wirkt es wie eine kubistische Wandmalerei, die die Illusion von räumlicher Tiefe vermittelt und Ruhe ausstrahlt. Tritt man jedoch näher heran, erkennt man, dass es sich um Flächen aus Blech handelt, die zum Teil tatsächlich dreidimensionale Formen bilden. Leider sind im Laufe der Zeit die Informationen zu dem oder der Kunstschaffenden und zum Hintergrund des Werkes verloren gegangen. Wir vermuten jedoch, dass es im Rahmen der Errichtung des Gebäudes im Jahr 1973 geschaffen wurde. 

3 | Werke ohne Namen

Edelsteinstraße 64 – 72 und 74 – 82, St. Gertrud

Künstler:in: unbekannt
Art: Wandmalerei
Einweihung: vermutlich 1966

In der Edelsteinstraße 64 – 72 und 74 – 82 sind zwei ganz typische Fassadengestaltungen der 1960-er Jahre zu finden. Stilisiert zeigt das eine Familie mit zwei Kindern vor einem Hintergrund, der Häuser, Wolken und Pflanzen darzustellen scheint. Auf dem anderen Bild sind spielende Kinder das zentrale Element. Vorn ruht eine Person, eine weitere scheint ein Kind geborgen im Arm zu halten. Dazu kommen Elemente, die als Hansekogge, Kirche oder Gebäude gedeutet werden können. 

Die Häuser wurden 1966 erbaut. Leider sind auch hier die Informationen zum Künstler oder der Künstlerin nicht mehr aufzufinden.

Sollten Sie Informationen zum Werk oder dem/der Kunstschaffenden haben, freuen wir uns über eine Nachricht an loebe@trave.de

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4 | Papagei

Stettiner Straße 10, St. Lorenz Süd

Standort: Stettiner Straße 10, St. Lorenz Süd (seit 2018)
Künstler:in: unbekannt
Material: Bronze
Einweihung: Oktober 2024

Passend zum Namen wurde in der Entstehungszeit der Papageiensiedlung die bronzene Papageien-Skulptur zunächst vor dem Hochhaus am Kolberger Platz 1 aufgestellt. Später stand sie auf einem Metallbogen gegenüber in der Grünanlage Ecke Kolberger Platz/Stettiner Straße und wurde zu einem Symbol im Stadtteil. Nach der Fertigstellung der Neubauten in der Stettiner Straße fand sie im Foyer der Stettiner Straße 10 ihren neuen Standort und verbindet die alten und die neuen Bauten in der Papageiensiedlung sinnbildlich. Leider sind genaue Informationen zur Künstlerin / zum Künstler nicht zu ermitteln. 

Zur Beseitigung der Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg entstand u. a. in St. Lorenz Süd ab Mitte der 1950-er Jahre ein neues Wohnquartier. Die GEWOG (Gemeinnützige Wohnstättengesellschaft von 1910 mbH), die später in den Konzern Neue Heimat integriert wurde, baute bis 1957 in kurzer Zeit 776 Wohnungen und 150 Eigenheime.

Der Entwurf und die künstlerische Leitung wurden von der Planungsabteilung der Neuen Heimat Hamburg übernommen. Der Architekt und Stadtplaner Ernst May schuf für das neue Wohnquartier ein modernes städtebauliches Konzept, das mit seiner aufgelockerten Bebauung in enger Verbindung zur Landschaft am damaligen Stadtrand stand. Die Vielzahl der Gebäudetypen, die unterschiedliche Wohnwünsche berücksichtigten, die gegliederte und farblich abgestufte Gestaltung der Putzfassaden sowie die parkartigen Grünflächen sorgten für ein attraktives Erscheinungsbild des  Quartiers. Eine solche „Gartenstadt mit bunt gestrichenen Häusern“ war für Lübeck vollkommen neu und so entstand der Name „Papageiensiedlung“.

5 | Garden Studies

Korvettenstraße 22–34, Buntekuh

Künstler: Sainer
Art: Mural
Einweihung: Juli 2023

Der international anerkannte polnische Mural-Künstler Sainer aka Przemek Blejzyk hat im Rahmen des 1. Lübeck Urban Art Festival (LUAF) 2023 ein großformatiges Wandbild, ein sogenanntes Mural geschaffen. Auf der Hausfassade der Korvettenstraße 22-34 entstand ein unübersehbares Unikat, das es weltweit kein zweites Mal gibt und das dem Stadtteil einen beeindruckenden Blickfang hinzufügt.

Wie bei vielen Künstlern der Urban-Art begann auch Sainer in der Graffiti-Szene. In den vergangenen zehn Jahren hat er die internationale Urban-Art-Szene begeistert und wurde überall in Europa, aber auch Australien, Hawaii und Dubai mit künstlerischen Arbeiten beauftragt. Seine Werke stellt er in Einzel- und Gruppenausstellungen überall auf der Welt in renommierten Galerien aus – Miami, Warschau, London, Paris, Basel… Die Liste ließe sich fortsetzen. Und Lübeck kann sich nun auch glücklich schätzen, eines seiner Werke zeigen zu können.

Sainers Darstellungen zeigen Menschen, Tiere, Landschaften und Architektur, die gleichzeitig humorvoll, melancholisch und Comic-artig sein können. In „Garden Studies“ hat er neue Landschafts-Studien erprobt.

6 | Kultur

Karavellenstraße 1-5, Buntehuh

Künstler: Daniel Wrede
Art: Fassadengestaltung
Einweihung: 2014

„Kultur ist nichts Sichtbares, sondern das unsichtbare Band, das die Dinge zusammenhält“ – das Zitat von Joseph Joubert ziert die Rückseite des Hochhauses Karavellenstraße 1-5 gleich gegenüber. Dazu kombiniert wurde das bunte Holstentor, das in dieser bunt gepixelten Variante als Logo der Lübecker Bewerbung zur europäischen Kulturhauptstadt 2010 genutzt wurde. Leider hat es mit dem Titel für Lübeck nicht geklappt, doch Wissen, Kultur und Werte haben wir 2014 durch den Fassadengestalter durch Daniel Wrede, der in Grevesmühlen als freischaffender Künstler (morpho-graffiti) niedergelassen ist, weithin sichtbar am Hochhaus verewigen lassen.

7 | Die Moislinger Gesellschaft

Heinzelmännchengasse 1+3, Moisling

Künstlerin: Bettina Thierig
Material: Savonnière-Kalkstein
Einweihung: Juni 2015

Die Grundstücks-Gesellschaft TRAVE beauftragte Anfang 2014 die Lübecker Künstlerin Bettina Thierig mit der Erschaffung eines Kunstwerkes für das neue Wohnhaus in der Heinzelmännchengasse 1+3. Von vornherein war klar, dass das Kunstwerk nicht am Boden stehen, sondern weithin sichtbar sein und Wertschätzung für den Stadtteil Moisling und seine Menschen ausdrücken soll.

Die Künstlerin Bettina Thierig über die Figurengruppe:

Ich habe mich über das Anliegen meiner Auftraggeber, dem Stadtteil Moisling etwas Außergewöhnliches zu schenken sehr gefreut. Es hat mir besondere Freude gemacht, über diese Aufgabenstellung nachzudenken.

Eine Auftragsarbeit ist etwas anderes als eine freie Arbeit. Ich kann meine künstlerische Arbeit hier innerhalb eines fest gesetzten Rahmens erfüllen. Man kann das als Einschränkung empfinden, oder aber als besondere Herausforderung. Man muss sich innerhalb von außen gesetzten Grenzen Lösungen ausdenken, die einerseits die eigenen Ansprüche erfüllen, aber andererseits auch die gewünschten Vorgaben erfüllen.

Meine Idee ist, der Gruppe eine bestimmte Dynamik zu verleihen. Die Figuren sollen sich erkennbar aufeinander beziehen. Ich will durch die Bewegungen innerhalb der Gruppe ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen im Stadtteil ausdrücken. Da Dynamik bei einer Gruppe mit einer geraden Zahl an Figuren nur schwer darzustellen ist, habe ich mich dazu entschieden, eine der vier Figuren deutlich kleiner zu machen. Da die Figuren am Rand des Daches stehen sollen, damit sie von unten sichtbar sind, steht mir nur die seitliche Bewegung zur Verfügung. Also gebe ich den Figuren seitliche Bewegungen, die aufeinander verweisen. Die Frauenfigur links hat einen wehenden abstrahierten Rock, der auf die Nachbarfigur zeigt. Die auseinander gestellten Beine der zweiten Figur bringen eine Diagonale in die Gruppe. Der Arm der kleinen Figur ist erhoben und greift nach der männlichen Figur neben ihr. Bei der letzten Figur in der Reihe ist der Oberkörper in Richtung zur Gruppe abgeknickt, während ihr Rock sich in die andere Richtung bewegt. Die Bewegung wirkt eher ruhig und dynamisch, da die Statik der Figuren so ausgerichtet ist, dass sie ausbalanciert sind und ohne Stütze stehen können.

Broschüre Moislinger Gesellschaft zum Download

8 | Laternenumzug

Rotkäppchenweg 1, Moisling

Künstler: Joan Aguiló
Art: Wandmalerei
Einweihung: September 2017

Der Laternenumzug befindet sich in direkter Nähe zur Moislinger Gesellschaft, nämlich am Giebel des Gebäudes Rotkäppchenweg 1. Im Rahmen des Street-Art-Projekts „Look on Lübeck“ schuf der mallorquinische Künstler Joan Aguiló 2017 in Zusammenarbeit mit seiner Partnerin, Catalina Inès Florit, innerhalb von fünf Tagen die großformatige Wandmalerei.

Auf Initiative des Quartiersmanagements Moisling wurde das Projekt in den Stadtteil geholt. Die TRAVE stellte die Fläche zur Verfügung und organisierte das Material. Gemeinsam mit Bewohner:innen Moislings und Schüler:innen der Heinrich-Mann-Schule wurde nach einem Motiv gesucht, das typisch ist für den Stadtteil. Herbstliche Laternenumzüge kristallisierten sich als typisches gemeinschaftliches Erlebnis heraus und wurden daher für die großformatige Wandmalerei ausgewählt. Vor den grünen und blauen Flächen, die Landschaft und Himmel andeuten, halten drei Kinder ihre hell leuchtenden Laternen. Die Laterne des linken Kindes ist an einem sehr langen Stab angebracht, der bis fast bis zum Dach ragt. Sie könnte sogar als Mond gedeutet werden und so den Bezug zum Zitat „da oben leuchten die Sterne, hier unten leuchten wir“ aus dem bekannten Martinslied „Ich geh’ mit meiner Laterne“. 

9 | Slave to the Rhythm

Moislinger Mühlenweg 39–39b, Moisling

Künstler: Stohead
Art: Mural
Einweihung: Juli 2023

Das großformatige Wandgemälde “Slave to the Rhythm” hat der deutsche Graffiti-Künstler Stohead aka Christoph Hässler geschaffen. Im Rahmen des 1. Lübeck Urban Art Festival (LUAF) 2023 hat er die Fassade des Moislinger Mühlenweg 39–39b in wenigen Tagen mit einem einzigartigen Mural geschmückt.

Seine künstlerische Laufbahn begann in den 1980-er Jahren in einer Szene, die durch Punk, Hip Hop, Skateboarding und Graffiti beeinflusst wurde. Schon früh war ein Schwerpunkt seiner Arbeit das sogenannte Lettering, also das Gestalten von Schrift. Im Laufe der Zeit entwickelte er eine einzigartige kalligrafische Technik, für die er bekannt ist. Einzelne Worte, aber auch Zitate und Songtexte prägen seine Arbeiten – egal ob auf Fassaden oder auf Leinwand. Er hat es in seinen Werken mit einer Mischung aus bunten ineinanderfließenden Buchstabenelementen und abstrakter Malerei zur Meisterschaft gebracht. In seinem Moislinger Werk arbeitet der Künstler ganz abstrakt. Die farbigen Formen fließen rhythmisch ineinander. 

„Als ich in den 90er Jahren klassische Graffiti Pieces gemalt habe, gab es einen großen Trend die Pieces in die dritte Dimension zu überführen. Meine Buchstaben wurden quasi organisch und ich habe sie in der Tiefe aufgeblasen und gedehnt. Später reiste ich zurück aus dem Räumlichen und konzentrierte mich wieder auf 2D-Buchstaben und die reine Form – die Tags, die meine Leidenschaft entfachten und mich vom ersten Tag an begleiteten. An diesem Punkt entstanden auch meine ersten kalligraphischen Arbeiten auf Leinwand. Heute reise ich zurück in das Räumliche, um neue Dimensionen und Ebenen für diese Art von Kunst zu finden. Die Buchstaben werden gelöscht, zerlegt und tauchen gleichzeitig in diesen Gemälden auf. Versteckt in den nebligen Stäuben und Flüssigkeiten ist der Prozess neue Striche und Typen zu schaffen – eine tägliche Praxis, die man braucht, um die wunderbare Kunst der Kalligraphie auszuüben.““ (Stohead 2014, Katalog seiner Ausstellung „NOW“, Pariser Galerie Le Feuvre).

10 | Skulptur

Hasselbreite 3, Moisling

Künstler: Gerhard Backschat
Material: Beton, Farbe
Einweihung: Dezember 1970

Gerhard Backschat arbeitete als abstrakter und konkreter Künstler. In Lübeck ist er mit mehreren Werken im öffentlichen Raum vertreten, zum Beispiel mit der Plastik vor dem Behördenhochhaus in der Possehlstraße oder der Stahlrohrplastik Wachstum vor der Wohnanlage am Mönkhofer Weg

Gerhard Backschat zur Eröffnung anlässlich des Richtfestes:

"Die Plastik setzt sich aus 9 einzelnen Objekten zusammen, die in sich abgeschlossen sind. Den Objekten liegen geometrische Formen, wie Quadrat (Würfel), Dreieck (Kegelabschnitt), Kreis (Kugel), Rechteck (Quader), Kreisscheibe und Halbkugel zugrunde. Ebenso habe ich mich hier weitgehend auf klare Grundfarben beschränkt, zum Teil rohen Beton stehen lassen. Die Farbe liegt wie ein Tuch auf den Objekten, einmal die Form der Plastik ignorierend, zum anderen mit der Form gehend. Die Farb- und Formgebung habe ich so gewählt, dass einerseits jedes Objekt für sich, aber auch im Zusammenhang mit den anderen Einzelstücken gesehen werden muss. Ein Körper steigert in der Aussagekraft die nächsten. 

Durch die Größe und Anordnung der Objekte möchte ich erreichen, dass man durch die Plastik hindurchgehen, um sie herumgehen und sie begehen kann. Bei den Standortveränderungen erhält man die verschiedensten Eindrücke, entdeckt neue Beziehungen, neue Form- und Farbzusammenstellungen, die fast unendlich sind. Mein Ziel ist es, besonders durch die Farbgebung und die höhenunterschiedliche Anordnung der Einzelstücke den Kindern Anreiz zum „Benutzen“ der Plastik zu geben. Man kann sie gut besteigen, erklettern, sich darin verstecken, drauf malen, sich ausruhen und mehr. 

Einerseits kann die Arbeit als abstrakt und konkret angesehen werden, andererseits liegt es an dem Betrachter inwieweit er eine Gegenstandsbezogenheit im weitesten Sinne zu entdecken in der Lage ist (zum Beispiel zwei runde Mühlsteine; das Objekt steht auf dem Mühlenberg).

Ich möchte hier aber keine literarische Auslegung der Plastik bringen, das überlasse ich der Mentalität jedes Einzelnen."

Nach über 50 Jahren haben sich die Anforderungen an Spielgeräte geändert und die Skulptur entspricht den heute geltenden Normen leider nicht mehr, so dass wir das Kunstwerk “nur” noch als solches betrachten können. Die schöne Idee des Künstlers, es gleichzeitig als Spielgeräte zu nutzen, entfällt damit.

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